Das Thema Vertrauen ist ein wichtiger Punkt in meinem beruflichen Alltag. Ich bin seit 18 Jahren als mobile Reitlehrerin selbständig. Meine Ausbildung habe ich in den Jahren 2001 und 2002 im FS Reitzentrum in Reken gemacht. Vielen von Euch wird Reken als damaliges „Zentrum“ der Freizeitreiterei ein Begriff sein. In der zweijährigen Ausbildung zur Reken-Reitlehrerin hatte ich mit hunderten von Menschen zu tun, deren Vertrauen zu Pferden entweder neu aufgebaut – oder wieder aufgebaut werden musste. Der Schwerpunkt der Kurse in Reken liegt in der Schulung von erwachsenen Anfängern und Wiedereinsteigern. Viele der Rekener Kursteilnehmer haben vorher entweder schlechte Erfahrungen beim Reiten oder im Umgang mit dem Pferd gemacht oder haben ganz ohne Vorerfahrung einfach einen gehörigen Respekt vor den großen Tieren. In der Erwachsenenschulung gibt es daher eine Reihe von Punkten, die man als Reitlehrer nutzen kann, um dem Reiter dabei zu helfen, Vertrauen zu fassen. Dazu gehört beispielsweise, die nächsten Schritte vorher immer theoretisch durchzuspielen und genau zu erklären. Und das am besten im Vorfeld am Boden oder zumindest, solange das Pferd steht. Das ermöglicht es dem Reiter, konzentriert zuzuhören und die Anweisungen des Reitlehrers besser zu verstehen. In Reken haben wir auch viele praktische Handgriffe wie das Nachtgurten oder das Verstellen der Steigbügel vor der Reitstunde am Holzpferd geübt. Sicherlich wird das dort auch heute noch genauso praktiziert.

Ein anderer Aspekt, der Vertrauen schafft, ist die Nähe des Reitlehrers zu den Reitschülern. Ich bemühe mich, bei unsicheren Reitern immer möglichst nah am Pferd zu sein während des Unterrichts. Auch das beruhigt manchen Reiter deutlich mehr, als wenn ich hinter der Bande/Reitplatzbegrenzung oder in einer Reitplatzecke verharren würde. Im Reitzentrum Reken findet der Reitunterricht für Anfänger auf der Ovalbahn statt. Diese ist innen und außen eingezäunt, wodurch der lernende Reiter erst einmal nicht mit dem Lenken des Pferdes beschäftigt ist. Manchmal vermisse ich in meiner Selbständigkeit dieses wunderbare Hilfsmittel.

Ich denke, das Vertrauen des Reiters zum Pferd und zum Reitlehrer hängen eng zusammen. Selbst habe ich eine längere Phase durchgemacht, in der ich mich auf meinem eigenen Pony, einem Welsh Cob, sehr unsicher gefühlt habe und oft auch Angst hatte. Twain war impulsiv und wenn er sich erschrocken hat, ist er früher kopflos durchgegangen. Ich habe lange damit gehadert, dass ich irgendwann nicht mehr diejenige war, die sich auf jedes Pferd setzt und sorglos drauf los reitet. Oft war es mir sehr unangenehm, dass ich nicht mehr die mutige Reiterin von früher bin und das Risiko genau abwäge, bevor ich mich auf fremde Pferde setze. Inzwischen denke ich aber, dass Gott das bewusst zugelassen hat, dass es so gekommen ist. Denn nur dadurch habe ich überhaupt Verständnis für die Ängste meiner Reitschüler entwickelt. Durch meine Geschichte erkenne ich viele Anzeichen von Angst bei meinen Reitschülern und kann daher besser helfen, diese Stück für Stück abzubauen.

Sicherheit kann man als Reitlehrer dann ausstrahlen, wenn man über Erfahrung verfügt, sich in seinem Fachgebiet auskennt und authentisch ist. Beispielsweise kann ich meinen Reitschüler nicht überzeugend dazu auffordern, anzugaloppieren, wenn ich ihm das eigentlich noch gar nicht zutraue.

Jeder Reitschüler ist anders und bringt seine ganz individuelle Geschichte mit. Wenn ich einen Reitschüler zum ersten Mal unterrichte, lasse ich mir in der Regel erzählen, was er in der Vergangenheit mit seinem Pferd bereits gemacht hat und was für Wünsche, Zielsetzungen und Gegebenheiten vorhanden sind. Und natürlich auch, wo die Probleme liegen. Auch das vermittelt den Reitschülern, dass ihre Geschichte von Belang ist. So mancher Reiter überlegt sich in so einem Gespräch zum ersten Mal, was er eigentlich mit seinem Pferd erreichen möchte und wo seine individuellen Stärken und Schwächen liegen. Je mehr ich durch solche Vorgespräche über meinen neuen Reitschüler erfahre, desto besser kann ich einschätzen, ob ich ihn aufbauen und ermutigen oder manchmal auch ausbremsen und auf Gefahren hinweisen muss. Manche Reiter begleite ich über viele Jahre hinweg. Meine „älteste“ Reitschülerin habe ich bereits seit 18 Jahren im Unterricht. Es ist schön und erfüllend, Reiter über einen längeren Weg zu begleiten und mitzuerleben, wie das Zutrauen ins eigene Pferd und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst. Ich bin Gott sehr dankbar dafür, diesen wunderbaren Beruf ausüben zu dürfen.

~Sonja Schnietz

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