Mir fällt es nicht ganz leicht, diese Geschichte aufzuschreiben. Ehrlich gesagt kommen mir immer noch die Tränen, wenn ich sie erzähle. Es schmerzt immer noch, auch Jahre später. Aber Gott möchte, dass wir uns gegenseitig ermutigen. Und deshalb erzähle ich euch, was ich erlebt habe mit unserem großen und treuen Gott. Vieles ist für uns erst in der Rückschau verständlich und Vieles werden wir vielleicht nie verstehen. Aber eines ist sicher: Gott ist gut…
Es passierte beim ersten spirituellen Mädchenabend bei uns am Hof des Königs 2016. Eine Gastreferentin war eingeladen, zum Thema „Krisen: Gefahr oder Chance?“ zu sprechen. Es war ein diesiger Novembertag. Ich war noch mitten in der Vorbereitung für diesen wichtigen Tag. Das erste Mal hatte ich von meiner Praxis aus zu diesem Event eingeladen: „spirituell“, da es um geistliche Themen ging, und „Mädchenabend“, weil wir Frauen den Raum geben wollten, sich wie gute Freundinnen zu treffen und auszutauschen.
Ich fuhr noch schnell nach meinen „Jungs“: Unsere drei Junghengste Eljakim, Shalom und Boas waren auf ihrer Winterkoppel, die etwas außerhalb vom Dorf lag. Als ich kam, war irgendetwas anders. Die beiden Jährlinge Eljakim und Shalom kamen gleich angelaufen, aber Boas lag und stand nicht auf. Ich ging zu dem Fohlen hin und merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Es wirkte schlapp und wollte nicht aufstehen. Hatte es eine Kolik? Der Tierarzt musste gerufen und seine Besitzerin informiert werden. So schnell wie möglich holten wir Boas an den Hof. Meine Haus- und Hoftierärztin war im Urlaub – welchen anderen sollten wir rufen? Der Zustand von Boas verschlechterte sich rapide, bis ein fremder Tierarzt kam. Er war ratlos, es war keine Kolik. Die Situation war für uns unfassbar, gerade noch schien alles okay – und dann? Wir beteten und ließen in der Box Lieder mit Texten zur Ehre Gottes laufen. Krise: Katastrophe oder Chance…? Wie schmerzlich, aber dieses junge hoffnungsvolle Pferd war nicht zu retten. Letztendlich blieb uns nichts anderes übrig als es einschläfern zu lassen.
Wir waren noch ganz beschäftigt mit Boas, als meine Tochter, 13 Jahre alt, angerannt kam: „Mama, Mama, Eljakim liegt und steht nicht auf!!“ Sie hatte ihr Herzenspferdchen, einen wunderschönen Arabofriesen, im August zum Geburtstag geschenkt bekommen. Wie groß war ihre Freude über dieses langersehnte Geschenk gewesen! Und nun? Die Angst war meiner Tochter ins Gesicht geschrieben, sie hatte ja mitbekommen, was bei Boas passiert war. So schnell wie möglich holten wir Eljakim und Shalom an den Hof. Und nun war klar, dass es eine Vergiftung sein musste. Der Verdacht fiel auf Weidemyopathie, allerdings gab es bisher in unserer Gegend keinen Fall davon. Weidemyopathie entsteht vermutlich durch das Fressen von Bergahornblättern, die mit einem bestimmten Pilz befallen sind. Dieser bewirkt einen rasanten Muskelabbau, der meist zu Leber- und Nierenversagen führt. Die Überlebenschance liegt bei 15 % und die Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden ist extrem hoch. Ein Wettlauf mit der Zeit begann: Eljakim bekam über mehrere Tage Infusion um Infusion, um den Körper beim Ausscheiden der Abbauprodukte der Muskeln zu unterstützen. Er war sehr schwach. Sein Freund Shalom, ein wunderschöner Welshjährling, stand die ganze Zeit wie ein Wächter bei ihm in der großen Box. Immer wieder zwangen wir Eljakim aufzustehen. Nur nicht liegen bleiben, das hätte alles nur verschlimmert. Aber seine Kräfte schwanden Tag für Tag, es waren schon zu viele Muskeln abgebaut.
Ein Pferd zu verlieren ist immer eine sehr harte Situation. Es war nicht das erste Mal in meinem Leben. Aber hilflos zusehen zu müssen, wie meine Tochter ihr geliebtes Pferd verliert, wie sie leidet, neben ihrem geliebten Eljakim im Stroh liegt, ihn immer wieder streichelt, ihre Tränen, geweint und ungeweint, ihre stummen, verzweifelten Gebete und Bitten an Gott, ihr Pferd zu heilen, ihre Hoffnung und Verzweiflung… Diese fünf Tage gehören zu den härtesten meines Lebens.
Eljakim ist ein Name aus der Bibel. Und er bedeutet: „Der Herr richtet auf“.
Wir als Familie waren damals in einer sehr schwierigen Lebensphase, als uns dieses wunderschöne Rapphengstchen mit den besonderen Sichelohren geboren wurde. Im Vertrauen auf Gottes Treue und Hilfe habe ich ihm den Namen „Eljakim – der Herr richtet auf“ gegeben. Und nun? Er lag im Stroh und das Leben wich aus ihm.
Wir haben alles getan, medizinisch genauso wie geistlich. Es war eine große Unterstützung, dass die Gastreferentin noch ein paar Tage zu Besuch blieb. Miteinander flehten wir im Stall zu Gott um Heilung, feierten Abendmahl mit den Pferden und proklamierten Jesu wundervollen Sieg über Krankheit und Tod. Tag und Nacht liefen Lieder im Stall, die Gott anbeteten, fünf lange Tage. Und dann kam der Zeitpunkt, an dem meine Tochter eine Entscheidung treffen musste, denn es gab keine Verbesserung. Am Anfang hatte Eljakim noch Lebensmut gehabt, doch davon war jetzt nichts mehr übrig. Er war sterbensmüde, aller Glanz war aus seinen freundlichen Augen gewichen. Eljakim – der Herr richtet auf – lag am Boden, zu schwach, um noch einmal aufzustehen. Er war nicht mehr aufzurichten. Das erhoffte Wunder blieb aus, der Kampf war verloren.
Wenn ich an die Situation zurückdenke, kreisen meine Gedanken: Habe ich etwas versäumt? War es meine Schuld, dass meine Tochter so leiden musste, dass ihr Gottesbild vom „guten, helfenden Hirten“ vielleicht zerstört wurde? Ich frage wie Maria bei Lazarus: „Jesus, wenn du da gewesen wärst, Herr, dann würde er jetzt noch leben, oder? Wo warst du? Wo bist du?“
Eljakim, der Herr richtet auf. Das geliebt Pferd stirbt, wir sind am Boden.
Shalom, unser Letzter von dem Trio, schien keine Vergiftung zu haben. Gott sei Dank: Er zeigte keinerlei Symptome von dieser tödlichen Krankheit. Aber er trauerte sehr um seine beiden Freunde. Sechs Wochen später fiel mir auf, dass er immer apathischer wurde. Statt mit den anderen Pferden zu spielen stand er mit gesenktem Kopf auf dem Paddock. Dann kam der Moment, als mir klar wurde, dass er ein gravierendes Problem hatte: Ich gab ihm einen sonst so geliebten Apfel, er biss hinein, hatte ihn im Maul und vergaß zu kauen. Ein schrecklicher Verdacht stieg in mir hoch: Borna, ein Virus, der das Gehirn zerstört, ähnlich wie bei der Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Der junge Vertretungstierarzt wollte das erst nicht in Erwägung ziehen, aber der weitere Verlauf schien meine Vermutung zu bestätigen. Diese Diagnose ist ein Todesurteil. Wir standen noch unter Schock von den Vorkommnissen mit Eljakim und seinem kleinen Freund, und nun der Dritte im Bunde?
Shalom, ein Name, der eine viel tiefere Bedeutung als „Frieden = Abwesenheit von Streit“ hat:
Shalom bedeutet im Tanach, der hebräischen Bibel, zunächst Unversehrtheit und Heil. Doch mit dem Begriff ist nicht nur Befreiung von jedem Unheil gemeint, sondern auch Gesundheit, Wohlfahrt, Frieden, Ruhe und Glück.
Und ich ergänze: Shalom steht für den tiefen Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Dieser tiefe Friede, den man nur in der Gegenwart Gottes haben kann, vollkommen unabhängig von den Umständen.
Ich war fassungslos, innerlich wie eingefroren, mein Kampf für Shalom war kraftlos und mutlos. Konnte es sein, dass uns alle drei Jungpferde geraubt werden sollten? Dass nun auch noch Shalom – der Friede – von uns genommen werden sollte? Wie viel Hoffnung, Freude und Träume hatten wir mit diesen drei jungen Hengsten verbunden…
Um es kurz zu machen: Shalom musste auch eingeschläfert werden und die Obduktion ergab als Diagnose Borna.
Eine kurze Anmerkung, um meine Beziehung zu den Pferden zu veranschaulichen: Ja, ich berichte hier „nur“ von Tieren. Aber wir leben hier am Hof des Königs mit ihnen zusammen. Es sind meine Arbeitskollegen, es ist mein Team, das Gott mir anvertraut hat, um sein Reich zu bauen. Und um gemeinsam in der pferdegestützten Therapie und im Coaching Menschen zu helfen, heil zu werden und Wege zu finden, sich zu entwickeln. Gott hat diese Leidenschaft für Menschen und Pferde in mein Herz gelegt.
Wie ging es weiter nach diesen traumatischen Ereignissen? Viele von euch kennen es: Man funktioniert. Es muss einfach weiter gehen. Die Kinder brauchen eine Mutter, der Betrieb braucht seine Chefin, der Haushalt will gemacht sein usw. Die horrende Tierarztrechnung muss gezahlt werden.
Fragen bleiben, Schmerz bleibt. Manchmal nicht so präsent, aber ein Verlust ist ein Verlust, es fehlt etwas, auch wenn sich die Erde weiterdreht. Ich weiß noch genau, wo ich in meinem Garten stand und Gott eine Frage stellte: „Herr, ich beschwere mich nicht, ich weiß, dass du gut bist. Und das in allem, was du tust. Ich weiß auch, dass nichts passieren kann, was nicht vorher an deinem Thron durchgewunken wurde. Ich möchte es nur verstehen, warum das mit unseren drei Pferden passiert ist. Warum?“.
Und in seiner sehr liebevollen Weise erklärte er mir Folgendes:
Wie sollen andere Menschen auf Gott als Helfer, Tröster und Retter hingewiesen werden, wenn sie nicht erleben, dass ER unsere erste Adresse ist, wenn WIR als Nachfolger Hilfe, Trost und Rettung brauchen?
Der Herr gab mir auch eine Bibelstelle dazu, die mir vorher so noch nie bewusst geworden war, Hebräerbrief Kapitel 5 Vers 8: „So hat Jesus, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt.“
An dem, was wir leiden, können wir Gehorsam lernen. Wenn Jesus schon leiden musste, um Gehorsam zu lernen, wie können wir da meinen, dass wir als Nachfolger von leidvollen Herausforderungen verschont bleiben könnten? Es führt leider kein Weg daran vorbei. Der einzige Unterschied, ob wir durch das Leiden zu diesem tiefen Shalom gelangen oder nicht, macht dabei unsere Haltung und innere Einstellung aus: Werde ich besser oder bitter?
Ich möchte dieses „Besser“ hier bitte nicht als eine Leistung verstehen, sondern als ein „Wir kennen uns besser“. Gott und ich kennen uns inzwischen besser. Ich vertraue mehr, weil ich Seine übermäßig große Liebe mehr und mehr erkennen und erleben darf. Ich kann mit IHM „privat“ sein – und, ja, Er kann mit mir „privat“ sein, mir Seine Pläne, Träume und Visionen erzählen, die Er für meine Situation, meine Umstände und mein Leben hat.
Und weil ich Ihn immer besser kennen lerne und weiß, wie sehr Er mich liebt, entscheide ich mich, Ihm zu vertrauen und nicht den Umständen. Er würde NIEMALS etwas tun, was mir schadet. Im Römerbrief Kapitel 8 Vers 28 steht: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen …“
Das ist die einzig allumfassende Garantie in unserem Leben, die wir als Christen haben. Unter dem Strich wird uns alles zum Besten dienen. Der Schlüssel ist, in eine tiefere Liebesbeziehung mit unserem Gott zu kommen. Ja, es ist hart, wie Hiob auch Leiden in unserem Leben anzunehmen. Aber Gott hält seine Versprechen.
Vielleicht zwei Jahre später hatte ich ein interessantes Gespräch mit der Mutter eines meiner Reitkinder. Wir kamen auf die damalige Situation zu sprechen und sie sagte: „Wie ihr damals damit umgegangen seid, hat mich sehr beeindruckt…“ und das war die Möglichkeit, in ein tiefes Gespräch auch über Glauben einzutauchen.
Und erst neulich kam ich noch einmal mit meiner Tochter auf das Erlebte zu sprechen. Sie zog folgendes Fazit: Wenn das damals nicht gewesen wäre, wäre sie wahrscheinlich nie von zu Hause weg zum Studieren gegangen und würde jetzt nicht die wundervollen Leute kennen und und und….
Gott ist gut. Immer.
Christiane Schiffmann
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