Euro Cheval, die Europamesse des Pferdesports, alle zwei Jahre findet sie Ende Juli in Offenburg am Fuße des Schwarzwaldes und Nahe der französischen Grenze statt. Es ist eine schöne Messe, das Wetter ist warm, die Sonne scheint und viele Aktivitäten können draußen stattfinden. Die Menschen im Süden Deutschlands und den angrenzenden Ländern sind freundlich, ja warmherzig, es ist ein großer Trubel und eine sehr schöne Atmosphäre.

Wir sind wieder mit einem Team aus ganz Deutschland angereist, haben ein großes Camp auf dem Messeparkplatz unter der Autobahnbrücke aufgebaut. Ein großes Küchenzelt, ein Mannschaftszelt, verschiedene kleine Schlafzelte, einzelne übernachten auch in ihrem Auto oder im Pferdeanhänger.

Es ist immer ein großes Hallo, wenn die einzelnen Teammitglieder so nach und nach eintreffen. Viele kennen einander, man freut sich, man umarmt sich, man fühlt sich verbunden, viele Messen haben wir schon miteinander gemacht und manches ist inzwischen schon ein wenig Routine. Andere sind das erste Mal dabei, sind unsicher, wissen nicht so recht, was sie in den fünf Messetagen so erwartet und deshalb recht nervös.

Auch ich bin immer recht nervös zum Auftakt einer Messe. Mit meinem Pferd, dem schwarzen Welsh Cob Klötzchen, bin ich am Vortag angereist. Er steht nun in einem der Stallzelte in einer Box ganz in der Nähe unseres Zeltplatzes. Immer wieder hörte ich sein schrilles Wiehern, weil auch er nervös ist. Zuhause lebt er das ganze Jahr draußen in seiner Herde und kann sich frei bewegen. Hier ist er alleine, eingesperrt und in einer ihm sehr unvertrauten Umgebung. Er hat Verlustängste, seine Herde, in der er der Chef ist, musste er zurücklassen. Eine lange Autobahnfahrt liegt hinter ihm mit vielen fremden Eindrücken. Auch wenn das nicht unsere erste Messe miteinander ist, sind es doch immer wieder starke Herausforderungen, die mit einem solchen Event verbunden sind. Aber gerade für diese Herausforderungen trainieren wir das ganze Jahr.

Alle unsere einzelnen Showelemente können wir zu Hause trainieren, was wir nicht zu Hause trainieren können ist die reale Messesituation. Menschen, Maschinen, Gedränge, Lärm, Rummel, Musik, andere Pferde, Zeitdruck – alles Faktoren, denen wir uns dabei unvorbereitet aussetzen müssen. Und die Show muss funktionieren, das ist wenigsten mein Anspruch. Vielleicht ist dabei mein Ehrgeiz manchmal ein wenig zu groß und ich setzte mich und manchmal auch andere damit zu viel unter Druck. Aber ich will mein Besten geben, Mittelmäßigkeit reicht mir nicht. Das macht mich mitunter auch schon mal ein wenig verbissen. `Think big´ ist dabei mein Motto, erwarte Großes, dann kann immer noch eine Menge schiefgehen. Erwarte ich von vorne herein nur mittelmäßiges, kann ein Ergebnis höchstens mittelmäßig werden.

Schön, dass der SRS Messestand ganz in der Nähe des Showrings ist, so können wir Menschen direkt nach den Shows zu uns auf den Stand einladen, zu einem Gespräch, einem Kaffee oder auch zur Weitergabe von Infomaterial. Zu verkaufen haben wir nichts am Stand, aber eine wichtige Botschaft wollen wir den Menschen weitergeben, deswegen sind wir hier. Es geht um die christliche Botschaft und um die Botschaft, dass Gott sie liebt. Ein ungewöhnlicher Ort für christliche Aktivitäten, aber wo treffen sich nicht alle diese Pferdebegeisterte oder Pferdesportler, wenn nicht auf einer Pferdemesse. Also ist das genau der richtige Ort um die gute Nachricht der Bibel von einem Pferdemensch zum anderen weiterzusagen.

Dabei ist es unser Bestreben, den Menschen durch eine gute Showvorführung emotional zu begegnen und sie durch liebevolle, aber auch qualitätsvolle Vorführungen am Herz zu berühren. Hierbei spielt die Moderation ebenso eine wichtige Rolle wie die gute Vorführung. Denn dem Moderator obliegt es, den Zuschauern nicht nur die sachlichen Informationen gut und sympathisch weiterzugeben, sondern auch die einzelnen Showteile fachlich gut zu kommentieren und wo es passt auch einzelne geistliche Aussagen einzubauen. Und gerade diesen Part kann man nicht vorbereiten und muss darauf vertrauen, dass einem im entscheidenden Moment die passenden Worte eingeben werden, denn eine Show läuft nicht immer so, wie man sie geplant hat.

Bei dieser Messe übernimmt, wie schon oft vorher, Martina die Moderation. Schon einige solcher Einsätze haben wir miteinander durchgeführt und sind bereits ein eingespieltes Team. Martina kennt den Ablauf der Shows und kündigt in ihrer Moderation dann auch schon mal vorwegnehmend die als nächstes anstehenden Showteile an. Es sind zwei unterschiedliche Vorführungen, die wir jeden Tag zeigen. Bei der einen reite ich mein Pferd, bei der anderen ist es eine Darbietung in der Freiheitsdressur. Diese Art der Kommunikation mit Pferden führt oft zu verblüffenden Eindrücken bei den Zuschauern, die sich nicht wirklich vorstellen können, was da zwischen Mensch und Pferd abgeht.

Diese Show dauert insgesamt eine halbe Stunde und beinhaltet viele unterschiedliche Elemente und Bewegungsabläufe, teilweise mit einer großen Holzwippe, einen Showpodest oder auch einer großen blauen Plastikplane, wie wir sie überall in Baumärkten kaufen können. Dabei geht Klötzchen frei an meiner Seite, lässt sich auf Handzeichen oder Gertenzeig vorwärts, seitwärts rückwärts bewegen, dreht sich um sich selbst, macht Verbeugungen, zeigt den spanischen Schritt und manches mehr. Ich schicke ihn über die Wippe, auch das vorwärts und rückwärts, er bleibt auf dem Wipppunkt stehen und beginnt auf meine Körpersprache hin seine Balance nach vorne oder hinten zu verlagern und kommt dadurch zum Wippen. Ich sitze unter ihm, zwischen seinen Beinen und wir wippen gemeinsam. Gerade diese Nummer ist recht spektakulär und zeigt viel gegenseitiges Vertrauen.

Dann geht es zum Podest, dieses ist etwa vierzig Zentimeter hoch und rund mit einem Durchmesser von achtzig Zentimeter. Auch hier sind es wieder eine Vielzahl von unterschiedlichen Elementen die wir zeigen. Klötzchen steigt mit den Vorderbeinen auf und macht Drehungen, dann mit allen vier Beinen, was schon eine kleine akrobatische Leistung für ihn ist. Er wird auf dem Podest stehend mit der Plane verhüllt, ich kriechen auf einer Seite unter die Plane, schlüpfe meinem Pferd zwischen den Beinen und unter dem Bauch hindurch und komme auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Klötzchen wird wieder enthüllt indem ich ihm die Plane über seinem Kopf hinweg abziehe, wieder gibt es verschiedene Drehungen und Balanceakte, eine lange Bullenpeitsche kommt zu Einsatz mit der ich ohrenbetäubend knalle, ohne dass mein Pferd dabei zuckt, geschweige denn in die Flucht geht. Das Ganze geht mit einer gewissen Dynamik ab. Die Zuschauer sind meist sehr erstaunt und ergriffen von diesen Eindrücken, wie dieses großes schwarze Pferd auf kaum wahrnehmbare Zeichen hin alle diese Anforderungen meistert, dabei eine gewisse Wildheit versprüht und sich doch willig und vertrauensvoll auf seinen Menschen einlässt. Denn die Menschen wissen sehr wohl, dass Pferde Fluchttiere sind und jede diese Anforderungen für sich schon eine große Herausforderung bedeutet. Das weckt Sehnsüchte.

Ja, und dann kommt einer der Höhepunkte. Ich decke mein Pferd wieder mit der großen blauen Plane ein, krieche ebenfalls unter diese und fordere Klötzchen auf sich hinzulegen. Pferde als Fluchttiere legen sich nur hin, wenn sie sich absolut sicher fühlen. Im liegenden Zustand sind sie nicht fluchtbereit und somit einem möglichen Raubtier bedingungslos ausgeliefert. Selbst einige tausend Jahre der Domestizierung haben dieses Fluchtverhalten nicht ausmerzen können. Also ist gerade die Lektion des Ablegens eine ganz große Herausforderung für Pferde. Kommen dazu noch Umstände wie wir sie auf Messen kennen, ist es gar verwunderlich, dass Pferde sich überhaupt darauf einlassen. Hier muss schon das Vertrauensverhältnis zwischen Pferd und Mensch sehr ausgeprägt sein. Erschwerend ist dabei die über dem Pferd ausgebreitete Plastikplane. Die meisten Pferde ergreifen bereits beim Anblick einer solchen die Flucht. Da wir diese Lektionen aber hinreichend geübt und auch schon öfter erfolgreich vorgeführt haben, beginnt Martina ganz unbedarft die Anmoderation dieses Showteils, ganz selbstverständlich erwartend, dass dieser funktioniert wie immer. Gleichzeitig wechselt die bisher flockige Musik in eine leise, weiche, verträumte und romantische Weise. Ergreifende Momente für die Zuschauer. Es wird still, man könnte eine Stecknadel fallen hören, wenn die Musik nicht spielen würde. Die Zuschauer sind gespannt und gebannt.

Die Worte von Martina: „Ja, und nach so viel Aktion und Bewegung muss es auch mal wieder still werden, denn alles hat seine Zeit. Wir kommen zur Ruhe“ – ihre Stimme wird langsam und leise – „wir lassen uns zudecken und können uns niederlegen“. Jetzt kommt von mir das Zeichen an mein Pferd sich hinzulegen. Was bisher eigentlich immer gut funktioniert hat, kommt heute anders. Während Klötzchen schon im Begriff ist, sich hinzulegen, springt er plötzlich auf und rennt davon. In meinem Inneren regt sich Ärger, so hatte ich das nicht geplant, ich fühlte mich blamiert. Ich gehe los, meinem Klötzchen hinterher um ihn wieder einzufangen, dabei mache ich eine gute Miene zum bösen Spiel.

Martina: „Ja und so ist es mit Gott, er will uns einhüllen in seine Liebe, will uns Ruhe geben und Geborgenheit und wir laufen weg. Aber dann geht er uns nach und bringt uns sanft zurück“. Klötzchen lässt sich tatsächlich darauf ein, wieder mit mir zu kommen. Der Vorgang beginnt von neuem. Ich denke ihn zu, krieche unter die Plane, gebe ihm erneut das Zeichen zum Hinlegen. Jetzt klappt es – aber nein er springt erneut auf und rennt davon. Mein Zorn steigt – nur nichts anmerken lassen.

Martina: „Ja und dann laufen wir ihm erneut weg und wieder geht er hinter uns her und bringt uns zurück in seine Ruhe“. Während dessen bin ich erneut unterwegs um mein Pferd einzufangen und zurückzubringen. Äußerlich lächele ich, innerlich koche ich. Das Prozedere beginnt von vorne und wieder passiert das Gleiche, Klötzchen rennt davon.

Meine Geduld ist am Ende – nur nichts anmerken lassen – aber ich weiß auch, wenn ich jetzt nichts ändere wird Klötzchen daraus ein Spiel machen, leicht wird man dabei vom Vorführer zum Vorgeführten. Mein Pferd wird lernen, dass er nach Belieben gehen kann und das wäre fatal, denn in der Freiheitsdressur ist man darauf angewiesen, dass die Bindung zwischen Mensch und Pferd auch ohne Stricke oder Zügel hält. Was kann ich tun? Ich greife tatsächlich zu Strick und Halfter, schicke ein Stoßgebiet zum Himmel, gehe zu meinem Pferd, halftere es auf, nehme den Führstrick in die Hand und führe es zurück an den Ort, an dem die Lektion stattfinden soll.

Martina kommentiert: „Und wieder geht er uns nach, nimmt uns an die Hand und bringt uns durch sanfte Führung zu Ihm zurück“. Ich breite erneut die Plane über Klötzchen, krieche zu ihm darunter halte ihn dabei aber gleichzeitig am Seil fest. So fühlt er sich einerseits fester mit mir verbunden und weiß auch, dass ich die Dinge nun besser in der Hand habe. Ein flehendes Gebet nach oben – „bitte Herr, lass es jetzt gelingen.“ Ich touchiere Klötzchen am linken vorderen Röhrbein, das Signal für ihn, seine beiden Vorderbeine einzuklappen, er tut es sofort. Eine weitere Einwirkung in der Flanke, ist für ihn das Signal sich vollends hinzulegen. Mit einem tiefen Seufzer lässt er sich auch hierauf ein. Auch ich stoße einen Seufzer aus. „Danke Vater“.

Martina: „Und wenn wir uns dann endlich auf Ihn einlassen, finden wir tatsächlich Ruhe, Geborgenheit und einen tiefen Frieden“. Ich schlage die Plane etwas zurück, so, dass unsere beiden Oberkörper zum Vorschein kommen. Klötzchen und ich genießen eine ausführliche Knuddelzeit, in der wir sichtlich entspannt und losgelassen miteinander kuscheln. Es geht uns gut zusammen da unter der Plane.

Moderation: „Und wenn wir dann eine Weile Ruhe und Entspannung gefunden haben, will Er uns wieder aufrichten und uns zu neuen Aktivitäten begleiten“. Ich erhebe mich und fordere mein Pferd auf, sich ebenfalls zu erheben, um sich in eine sitzende Position zu begeben. Dabei ist sein Oberkörper aufgerichtet, seine Hinterbeine sind aber noch auf dem Boden, er sitzt so, wie wir Hunde oft sitzen sehen. Stolz sieht er dabei aus und schaut stolz in die Runde. Ich drapiere die blaue Plane nun so um seinen Körper, als wäre er wie in einem Königsmantel eingehüllt, dabei schauen nur noch Kopf und Hals hervor. Majestätisch wirkt er, ein imponierendes Bild. Nachdem wir ein wenig gepost haben, lasse ich ihn vollends aufstehen. Es gibt noch ein paar andere Aktionen und die Show ist zu Ende. Die Zuschauer sind begeistert, mancher aber auch nachdenklich.

Am Ende lädt Martina alle Zuschauer zu einem Kaffee, einem Gespräch oder Informationsaus-tausch auf unseren nahen Stand ein. Ich habe mir zu eigen gemacht, nach der Show mein Pferd an einen Helfer abzugeben, um ebenfalls sofort zum Stand zu gehen und für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Während dessen eilt eine Dame aus dem Publikum hinter mir her, um sich für die tolle Vorführung zu bedanken. Am meisten habe sie die Szene mit dem immer wieder weglaufenden Pferd beeindruckt. Dann wollte sie noch wissen, wie ich diese Nummer dem Pferd beigebracht hätte.

Der Mensch denkt und Gott lenkt. Es mag mir nicht gefallen, aber oft sind es gerade die krummen und verpatzten Situationen, die Gott nutzt, um zu Menschen zu reden.

Vor ein paar Tagen habe ich mit Esther telefoniert. Wir beide kennen uns schon sehr lange. Fast dreißig Jahre sind wir schon gemeinsam auf Messen unterwegs. Als wir uns kennen lernten war sie noch Teenager. Bei vielen meiner Shows hat sie mich unterstützt und manche auch selbst moderiert. Und sie ist immer nah dran an den Menschen. Und sie erzählt mir: „Weißt du Peter, es waren immer die Patzer in der Show, durch die Menschen besonders angesprochen wurden. Oft habe ich dann Menschen gesehen, die Tränen in den Augen hatten.“

An einem anderen Tag. Nach der Show kommen wieder viele Menschen an unseren Stand. Manche wollen sich nur einen Kaffee oder ein Wasser abholen, andere fragen gezielt nach Information oder suchen ein Gespräch. Sie wollen etwas über die Ausbildung von Pferden wissen oder über meine Kursangebote. Andere möchten eines von meinen Büchern kaufen oder ein Autogramm oder eine Widmung. Dann gibt es welche, die sich einfach nur für die Show bedanken oder ein Feedback dazu abgeben wollen.

Ganz am Ende der Schlange steht ein Ehepaar mittleren Alters und wartet geduldig, bis alle anderen fertig sind. Der Mann kommt auf mich zu, er hat glänzende Augen, er drückt mir die Hand. Dann beginnt er mit belegter Stimme zu reden, er sagt: Wir haben eben ihre Show gesehen, das hat uns sehr berührt. Wissen sie, meine Frau ist eine gläubige Christin, ich nicht. Sie hat immer wieder versucht, mir von der Liebe Christi zu erzählen, versucht mir Jesus nahe zu bringen und lieb zu machen. Ich konnte damit nichts anfangen. Als ich eben ihre Show gesehen habe, wusste ich was sie meint.

Wow, auch ich bin berührt und freue mich, dass Gott meine Pferdeleidenschaft nutzen will um anderen Menschen gute Bilder zu geben, die sie am Herzen berühren.

~Peter Pfister

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