Als ich das Thema für den letzten Rundbrief las, fiel mir sofort eine Menge zu diesem Begriff  ein. Direkt hatte ich Lust, etwas dazu zu schreiben. Da es mir aber nicht so ganz glückte, all meine Gedanken zu sortieren, warf ich einen Blick ins Wiki-Wörterbuch und las nach, was dort zum Thema Aufbruch geschrieben stand. Zwei Sätze haben mich direkt getroffen, weil sie mit dem zu tun haben, was mir zum Thema Aufbruch eingefallen war. Diese beiden Erklärungen habe ich deshalb rausgegriffen:

Aufbruch:[1] Beginn eines Vorganges, bei dem sich jemand entfernt[4] Geistiges Erwachen oder eine Entwicklung, welche ganz am Anfang ist
(beides aus dem Wiki-Wörterbuch Wiktionary)

Einen Aufbruch oder vielleicht eher Umbruch gab es in meinem Leben im letzten Jahr. Anders als es dieser Begriff vermuten lässt, war das aber kein Aufbruch von der Art, die man selbst plant und herbeiführt, sondern ich hatte nur bedingt Einfluss darauf. Es begann damit, dass mein Welsh Cob Wallach Twain unheilbar krank wurde. Ein Röntgenbild hatte einen Tumor offenbart, der Twains Atemwege einengte und der sich an einer Stelle befand, wo eine Operation nicht möglich gewesen wäre. Nach dieser Diagnose hatte ich noch fünf Tage mit meinem Pony, dann war der Tag des Einschläferns da. 19 Jahre lang war Twain an meiner Seite gewesen, ich hatte ihn selbst ausgebildet und etliche Höhen und auch viele Tiefen mit ihm durchlebt.

Die ersten Jahre mit ihm waren für mich eine große Herausforderung, mein Pony lehrte mich in dieser Zeit Geduld und Demut. Vor allem war Twain auch mein erstes eigenes Pferd und das ist sicherlich oft so wie mit der ersten großen Liebe. Es ist eben etwas ganz Besonderes.

Selbst mein Mann hatte mich schon mit Twain kennen gelernt (und mich trotzdem geheiratet ;-)) Ich möchte auch gar nicht weiter auf meinen Verlust eingehen, denn Abschied ist ja nicht das Thema. Nach Twains Tod war mir bald klar, dass ich einen Neustart machen musste. Allerdings brauchte ich mich gar nicht nach einem neuen Pony umsehen, denn das war schon da.

Seit drei Jahren schon gehörte Connemara Mix John zu unserer Familie. Diejenigen von Euch, die beim Pferdesport Teamtreffen 2018 in Eibelshausen dabei waren, haben zum Teil miterlebt, wie ich die Verkaufsanzeige von John fand und spontan von Hessen nach Bayern fuhr, um mir das Pony anzusehen. Ich hatte damals eine Liste mit vielen Eigenschaften geschrieben, die das zukünftige Pony haben sollte und Gott gebeten, mir das passende Pony zu zeigen. Und Gott hat meine Bitte erfüllt, als wir John wenig später kauften, konnte ich alle Punkte auf meiner Liste abhaken.
Und trotzdem war John in den drei Jahren nach dem Kauf immer die Nummer zwei hinter Twain gewesen. Das lag nicht an John, es lag an mir. Ich hatte immer das Gefühl, dass John nur zu einem Drittel mein Pony war, der Rest von ihm gehörte in meinem Empfinden unseren Kindern und der Reitbeteiligung. Wirklich begründen konnte ich dieses Gefühl nicht, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, warum das so war, dann sind wahrscheinlich die vielen Jahre Unterschied in der Länge der Beziehung ausschlaggebend.

Als ich Twain kaufte, hatte ich noch keine Kinder und deutlich mehr Zeit zur Verfügung, die ich mit meinem Pony verbringen konnte. Wir machten zusammen viele Ausritte, Orientierungsritte, fuhren zum Unterricht, zu Kursen, zu Distanzritten, Vereinsaktionen, Auftritten… Wir konnten viele Dinge gemeinsam erleben, das schweißt natürlich zusammen. Ich muss manchmal an das Sprichwort denken, dass es viele Jahre braucht, um alte Freunde zu werden.
Heute bin ich Mama von zwei Kindern und die Zeit für die Pferde ist begrenzter als früher. Mit John fahre ich zwar seit einiger Zeit, wann immer es möglich ist, einmal pro Woche zum Unterricht, aber trotzdem hatte ich sehr lange das Gefühl, dass John noch „neu“ ist.
Einige Tage, nachdem Twain gestorben war, beschloss ich, dass ich John nun bewusst die Stelle des „wichtigsten Ponys“ in meinem Herzen geben wollte. Er sollte nicht für immer die Nummer Zwei bleiben, das erschien mir schlicht unfair. Ich möchte ihn nun endlich richtig kennen lernen. Die Zeit mit ihm noch mehr genießen. Herausfinden, was uns beiden zusammen Spaß macht. Schöne Erinnerungen „sammeln“.

Und wenn ich jetzt wieder an die Definitionen von Wiktionary denke, dann ist der Aufbruch ja dort der Beginn eines Vorgangs, bei dem sich jemand entfernt. In meinem Fall war das Twain. Und nun beginnt etwas Neues, eine Entwicklung findet statt. Damit wären wir beim zweiten Teil der Wiki-Erklärung: Das geistige Erwachen. Ich denke, das findet gerade bei mir statt. Indem ich mein Herz an mein „neues“ Pony gebe. Und dieses Mal hoffentlich in dem Maß, wie John es verdient. Ich danke Gott aus tiefstem Herzen, dass er mir so ein tolles Pony anvertraut hat. Und ich hoffe, dass John und ich in ein paar Jahren tatsächlich alte Freunde sind.

Sonja Schnietz

Unser Medienteam – Sonja Schnietz

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