„Nach welcher Reitweise unterrichten Sie denn?“ Das ist oft eine der ersten Fragen, die mir potenzielle Neukunden am Telefon oder per Mail stellen, wenn sie in Erwägung ziehen, bei mir Unterricht zu nehmen. Bisher hat mich diese Frage immer ganz schön ins Schwitzen gebracht und ich musste mich bemühen, nicht ins Stottern zu geraten. Schließlich habe ich schon in verschiedene Reitweisen reingeschaut und bei ganz unterschiedlichen Trainern Unterricht genommen. Aber wo genau bin ich denn eigentlich wirklich reiterlich zu Hause? Das habe ich mich schon oft gefragt. Und wahrscheinlich bin ich damit nicht die Einzige, denn inzwischen kann einem bei dem Angebot an Reitweisen, Trainern und Online Kursen schon ganz schön schwindelig werden…
Und dann ist da ja noch die Unterscheidung Freizeitreiter, Turnierreiter, Berufsreiter. Freizeitreiter und Berufsreiter leuchtet mir durchaus ein, aber die meisten Turnierreiter reiten ja ebenfalls in ihrer Freizeit. Trotzdem scheint da oft eine große Kluft zwischen den Gruppen zu liegen. In den Augen vieler Freizeitreiter ist das Klischeebild eines Turnierreiters das eines ehrgeizigen und skrupellosen Reiters, der wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse seines Pferdes nimmt. Während die Freizeitreiter in den Augen der Turnierreiter oft als diejenigen gelten, die nur am Wochenende reiten, ihre Pferde nicht gymnastizieren und auch sonst wenig Ahnung vom Reiten haben.

In den beiden Gruppierungen wird es sicherlich auch einige solcher Reiter geben, die mit ihrem Verhalten zu eben diesem Klischeebild beitragen. Aber es gibt auch genug andere. Ich kenne eine Menge Freizeitreiter, die ihre Pferde gewissenhaft gymnastizieren und stets um Weiterbildung bemüht sind. Aber auch einige turnierambitionierte Reiter, die sehr offen sind und denen das Wohl ihrer Pferde wichtiger ist als alles andere.
Zwischen diesen Gruppen fühle ich mich oft hin- und hergerissen. Einerseits bin ich seit zwanzig Jahren kein „richtiges“ Turnier mehr geritten und fühle mich auch im Herzen mehr als Freizeitreiterin. Andererseits komme ich eben aus der eher „konventionellen“ Szene und habe bei diversen Fortbildungen für meine FN Trainerscheine auch in den letzten Jahren etliche gute Impulse von „Sportreitern“ mitgenommen. Pauschales Schimpfen und Lästern über eins der beiden Lager kann ich nicht gut vertragen, was wohl daran liegt, dass ich mich beiden verbunden fühle.
Im Alter von 9 Jahren durfte ich anfangen, in unserem damaligen örtlichen Reitverein Unterricht zu nehmen. Klassisch englisch, wie man wohl sagen würde (Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt auf einem Pferdehof in Irland hat sich allerdings bei mir der Verdacht breit gemacht, dass die Engländer ganz anders reiten, als die deutschen Englisch-Reiter das gewöhnlich tun. Nämlich hauptsächlich durchs Gelände, mit mehr Tempo und am längeren Zügel).
Nach dem Abi hat es mich dann nach Reken verschlagen, wo ich im FS Reitzentrum eine zweijährige private Ausbildung zur Reken-Reitlehrerin absolviert habe. Hier war für mich alles neu und spannend. So viel gab es zu entdecken: Bodenarbeit, klassische Handarbeit, Langzügel, Doppellonge, Round Pen Training, Distanzreiten, Gangpferde … Ich war mir ganz sicher, ich wollteab jetzt Freizeitreiterin sein! Weil mich die Vielfalt faszinierte und die Ausritte nach Feierabend einfach herrlich waren. Es gab Pferderassen, die ich bisher nur aus Büchern kannte. Die wollte ich kennenlernen und außerdem alles ein bisschen entspannter sehen und am liebsten nur noch
ausreiten … Jahrelang stellte ich meine Lederstiefel in die Ecke und kaufte mir stattdessen Stiefeletten und Chaps. Schließlich wollte ich auch aussehen wie eine richtige Freizeitreiterin.

In den zwei Jahren in Reken sah ich mir alle Lehrvideos des Reitzentrums an, las fast alle Bücher, die es dort gab und ritt so viele Pferde wie möglich. Nach der Ausbildung kam dann schnell der Punkt, an dem ich wieder weiter lernen wollte. Für mich, mein Pferd und auch für meine Reitschüler. So nahm ich Unterricht bei verschiedenen Ausbildern in den verschiedenen Disziplinen. Ich schnupperte ins Gangpferdereiten rein, ritt ein paar Einsteiger-Distanzritte, nahm Unterricht bei einem Légèreté Trainer, besuchte Kurse von klassisch barocken Trainern, ritt bei einer Grand Prix Ausbilderin und im Anschluss drei Jahre lang bei einem Trainer der akademischen Reitkunst.

Dann wurde ich Mama und der Weg zum letztgenannten Trainer wurde für mein kurzes Zeitkontingent nun zu weit …
Bei all diesen Trainern konnte ich rückblickend eine Menge mitnehmen. Und mir ist klar geworden, dass nicht allein die Reitweise ausschlaggebend dafür ist, ob man sich gut aufgehoben fühlt. Die Chemie zwischen Lehrer und Schüler muss ebenfalls stimmen und genauso wichtig ist, dass man sich samt seinem Pferd ernst genommen fühlt.
Vor drei Jahren hatte ich das dringende Bedürfnis, wieder regelmäßigen Unterricht zu nehmen. Die Kinder waren inzwischen schon ein bisschen größer geworden und ich hatte das Gefühl, dass das Thema Unterricht nun wieder realisierbar sein könnte. Noch bevor ich selbst auf die Suche gehen konnte, hörte ich von einer Bekannten, dass es eine Geländespringstunde im Fröndenberger Reitverein gab. Bisher hatte ich nie einen Fuß auf das Gelände des Vereins gesetzt, obwohl es unser örtlicher Reitverein ist, nur 8 km von unserem Haus entfernt. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Gerüchten von Reitschülern geglaubt, die besagten, dass die Leute dort so arrogant und die Aufnahmegebühr dermaßen hoch waren, dass man dort besser nicht hinzugehen brauchte.
Schon am Tag, als ich mir die Geländestunde ohne Pferd ansah, ärgerte ich mich über mich selbst und nahm mir vor, mich künftig nicht mehr so vorbehaltlos auf Gerüchte zu verlassen. Denn genau das wollte ich machen, in dieser Truppe wollte ich reiten! Ich wechselte noch in der gleichen Wochen den Reitverein und wenig später war ich mit meinem Welsh Cob Wallach Twain Teil der Geländespringgruppe. Tatsächlich war das wirklich genau DAS, was ich IMMMER schon machen wollte!! Schon als Kind tat ich nichts lieber, als im leichten Sitz zu galoppieren und springen war auch schon immer meine Leidenschaft. Anders als meine Mitreiter hielt ich mich stets an die
kleineren Geländehindernisse, denn mein Mut war über die letzten Jahre ein gutes Stück geschrumpft. Aber das war in dieser Truppe egal. Die Trainerin ging individuell auf jeden Reiter und jedes Pferd ein. Alle Gelände Reiter waren nett zu mir. Und obwohl ich mit meinem Cob damals die einzige Reiterin ohne Turnierambitionen war, fühlte ich mich nie deplatziert.
Mittlerweile hat der Trainer der Truppe gewechselt und ich fahre auch nicht mehr mit Twain zur Geländestunde, sondern mit meinem Connermara John. Ansonsten ist vieles gleich geblieben: Ichfreue mich jede Woche wie verrückt auf „meinen“ Abend. Und ich habe das Gefühl, dass ich angekommen bin. Nicht, weil ich mich jetzt als Vielseitigkeitsreiterin fühlen würde. Nein, ich fühle mich immer noch als Freizeitreiterin, die Spaß an vielseitiger Ausbildung rund ums Pferd hat. Ich nutze noch immer vieles für mich und auch für meine Reitschüler, was ich in Reken gelernt habe.
Aber ich habe jetzt einfach das Gefühl, dass ich nicht mehr weiter suchen muss. Dass es okay ist, wenn man reiterlich nirgendwo komplett zu Hause ist. Früher dachte ich, dass ich mich einordnen muss, damit die Reitschüler Orientierung haben und mich als Trainerin akzeptieren. Heute sehe ich es auch als Vorteil an, dass ich nicht einsortiert bin. Und trotzdem passe ich mich ein Stück weit an die Gegebenheiten an: Damit die Mitreiter in meiner Geländestunde beispielsweise ihr eventuelles Vorurteil gegen Freizeitreiter nicht zu sehr bestätigt sehen, schaue ich, dass mein Sattelzeug nicht voll Schlamm klebt, wenn ich dorthin fahre. Meine Lederstiefel habe ich auch wieder hervorgekramt und natürlich versuche ich auch reiterlich, einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Mein langmähniges, winterfelliges Connemara Pony entlarvt mich natürlich direkt als Freizeitreiterin. Aber dieser Widerspruch macht mich nicht mehr nervös. Den meisten Reitern mit Turnierambitionen werde ich wohl immer zu „alternativ“ bleiben. Und es wird bestimmt immer Freizeitreiter geben, die mich zu „konventionell“ finden. Aber viele andere Reiter stören sich nicht daran, dass ich keiner Reitweise klar zuzuordnen bin. Vielleicht sollte es generell viel mehr „Verbinder“ zwischen den unterschiedlichen Reitweisen geben. Man kann so viel voneinander lernen.
Und ich überlege mal in Ruhe, was ich beim nächsten Mal antworte, wenn mich wieder jemand fragt: „Nach welcher Reitweise unterrichten Sie denn?“

Auch in unserem christlichen Umfeld gibt es so viele Sparten. Ob evangelisch, katholisch, freikirchlich, charismatisch oder unabhängig: Es gibt viele Möglichkeiten, sich als Christ mit Gleichgesinnten zusammenzutun. Und bei allen Unterschieden sollte es eine gemeinsame Basis geben: Der Glaube an Jesus Christus. Toll, dass Gott uns mit all unseren Macken und Fehlern und unserer gesamten Vielfalt liebt. Und, dass wir uns stetig weiterentwickeln dürfen. Wenn man die Bibel mehrmals liest, werden einem jedes Mal neue Punkte besonders wichtig und manchmal entdeckt man auch Verse, die einem vorher noch nie aufgefallen sind. Oder beim Hören einer Predigt, eines Liedes oder bei einem Gespräch mit anderen Christen hat man plötzlich einen richtigen Aha-Effekt.
Sowohl im Pferdesport als auch in unserem Glaubensleben ist Einheit in der Vielfalt eine
wunderbare Sache…
Sonja Schnietz

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