Ja, Angst hat mein ganzes Leben begleitet. Meine Mutter kenne ich nur ängstlich. Sie hatte Angst vor allem und jedem. Sie ist 1937 in Schwerin geboren. Jedes Mal, wenn es Bombenalarm gab ging sie mit Ihrer Mutter und der kleinen Schwester in den Keller. Dort setzte die Mutter jedes Kind auf ein Bein und sagte: „Wir müssen nah zusammenbleiben, damit keiner übrigbleibt, wenn es uns trifft!“ Solche Kriegskinder schleppen die Angst ständig mit sich rum, und ich, als Kriegsenkel übernahm Ängste, die ich nicht zuordnen konnte. Ich weiß, dass ich mal sagte: „Ich habe Angst, aber ich weiß gar nicht recht wovor.“ Dazu müsst ihr wissen, dass wir kein christlicher Haushalt waren.

Später habe ich sehr daran gearbeitet und konnte viele Ängste ablegen, aber dennoch ist es ein ständiger Kampf. So z.B. beim Reiten.

Ich lernte erst mit ca. 40 Jahren das Reiten. Es war ein Jugendtraum, den ich mir erfüllte. Gleich nach einem Jahr Reiterfahrung bekamen wir ein Pferd geschenkt. Anton, eigentlich Agadir, aber er wurde schon immer Anton genannt. Es war ein Traumpferd, was ich damals nicht zu schätzen gewusst habe. Er war 18 Jahre alt und war noch ein Jahr zuvor erfolgreich ein M Dressurturnier gegangen. Wenn er etwas nicht so machte, wie ich es wollte, lag es grundsätzlich an meiner falschen Hilfegebung. Auf ihm fühlte ich mich richtig sicher, dachte aber auch, alle Pferde wären so. So wie beim Autofahren, man muss nur die richtigen Hilfen geben, dann funktioniert das Pferd.

Das dem nicht so ist, wurde mir nach Anton schmerzlich bewusst. Innerhalb von 1 ½ Jahren fiel ich von 4 verschiedenen Pferden, meist im Galopp herunter. Ich hatte Gehirnerschütterungen und meine Angst vor dem Reiten wurde immer größer. Mittlerweile zu Jesus gefunden konnte ich natürlich meine Ängste an Jesus abgeben, aber damit waren sie leider nicht einfach weg. Das ging so weit, dass ich vor jedem Ausritt erst auf die Knie ging und darum betete bitte einen unfallfreien Ausritt zu haben.

Wenn das Pferd nur die Ohren spitzte, geschweige denn den Kopf hob, bekam ich schon Panik, was sich natürlich sofort auf das Pferd übertrug. Dann brauchte es nur eine Kleinigkeit und das Pferd machte einen Satz zur Seite und ich konnte zusehen, wie ich draufblieb. Letztmalig fiel ich im Februar 2020 herunter, wobei ich mir den Arm brach. Nein, so konnte es nicht weitergehen. Da wir aber eine eigene Ranch haben, und die nur gekauft haben wegen der Pferde, war aufgeben keine Option!

Also habe ich mich intensiv hingesetzt und gebetet und wieder ganz klein angefangen, mit Bodenarbeit und kleinen Übungen Freiarbeit. Bevor wir ausgeritten sind habe ich mein Pferd einen Tag vorher im Round Pen gearbeitet und so haben wir viel mehr Vertrauen zueinander aufgebaut. Außerdem steige ich beim kleinsten Anzeichen, dass ich mich unwohl fühle ab, egal, was andere dazu sagen.

Solche Sätze wie: „Der tut doch gar nichts!“ oder „Der ist doch ganz ruhig!“ oder „Was hast du denn jetzt schon wieder!“ versuche ich an mir abprallen zu lassen Auch das gelingt mir dank Jesus immer besser.

Und was soll ich sagen, immer öfter gibt es längere Ausritte bei denen ich überhaupt nicht mehr absteige und immer öfter freue ich mich sogar auf einen schönen Galopp.

~Ines Wensing

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