Das hatte er sich ganz anders vorgestellt! Schon wochenlang freute er sich mit seinen sieben Jahren auf das erste Schulzeugnis. Von seinen großen Brüdern wusste er schließlich, wie das aussah – und dass das geschaffte Schuljahr (und manchmal auch gute Noten) in der Familie auch schon mal gefeiert werden.

Doch dann die Ernüchterung: Keine Eins, keine Zwei weit und breit. Da steht… Ja, das gibt’s doch nicht… gar keine Note, keine einzige. Woher sollte er wissen, dass das im deutschen Schulsystem nicht vorgesehen ist? Die schriftliche Beurteilung war nicht mal ansatzweise ein Trost. Für ihn stand fest: „Dieses Zeugnis ist doof. Ich will es nicht mehr sehen. Weg damit!“ Ja, das hatte er sich  ganz anders vorgestellt!

Klar, darüber kann man ebenso schmunzeln, wie über die Sinnhaftigkeit dieser Eigenheit des Schulsystems diskutieren. Tatsächlich gibt es dieses Prinzip auch im Sport. Kinder sollen nicht zu früh in ein ergebnis- und leistungsorientiertes System hineingepresst werden, sondern zuerst einmal Freude an der Bewegung verinnerlichen, anstatt alles gleich zu „verwettkampflichen“. Die Idee ist gut, aber könnte es nicht sein, dass sie an der Realität vieler Kinder vorbei geht? Was, wenn die Realität dieser Kinder zeigt, dass sie sich entwickeln wollen, Wettkampf und Leistung suchen – und sie die Freude verlieren, weil es ihnen verwehrt wird?

Denn Tatsache ist auch: Nicht wenigen Kindern ist genau das in die Wiege gelegt, es ist Teil ihres Wesens. Für sie ist die Freude an Sport und Bewegung untrennbar verbunden mit der kindlich-ungetrübten Freude am Wettkampf. In Bezug auf meinen Freund mit dem Schulzeugnis steht fest: Er will den Vergleich, die Leistung, die Beurteilung, den Wettkampf. Er will sie auch dann noch, wenn sie durch Schulnoten, Zahlen und Zeiten ausgedrückt wird – und sogar dann, wenn die Zahlen „gegen ihn“ sprechen.

Ich verstehe diesen Jungen sehr gut. Ich mag ihn. Und das nicht nur, weil er mein Sohn ist (es war die wirkliche Reaktion auf sein Zeugnis der 1. Klasse vor ein paar Tagen). Ich mag Menschen mit Freude an Wettkampf und Leistung.

Zur gleichen Zeit weiß ich um die andere Seite derselben Medaille: Wie es ist, wenn man Bestätigung, Anerkennung und Selbstannahme aus messbaren Leistungen ableiten will – und immer wieder merkt, dass das letztlich nicht funktioniert. Ohne zu glauben, dass diese Spannung in dieser Welt vollkommen gelöst werden wird, bin ich froh, meinem Junior hier beistehen, ihn begleiten und fördern zu dürfen. Und er mich.

Ich danke meinem Gott, dass Leistung und Wettkampf etwas Gutes, von ihm Gewolltes, dem Menschen Anvertrautes ist. Ich danke ihm ehrfürchtig für die Möglichkeit, das in Schule, Sport oder Arbeit erproben und verfeinern zu können. Zur gleichen Zeit staune ich, dass seine Wertschätzung für mich letztlich davon nicht abhängt! Es ist seine heilige Selbsthingabe in Jesus Christus, durch die die Schuld gelöscht ist, die uns von ihm trennte. Wer diesen Zusammenhang auseinanderreißt, eine Seite überbetont und die andere vernachlässigt oder leugnet, der hat getrennt, was zusammen gehört, ja was zusammen gehören muss. Wo es aber gelingt, das zusammen zuhalten, entsteht eine ganz neue, eine heilige Motivation zur Leistung.

Gott hat euch als sein Eigentum erworben; denkt an den Preis, den er dafür gezahlt hat!
Darum geht mit eurem Körper so um, dass es Gott Ehre macht!“

1. Korinther 6,20 NGÜ

Falk Winter
Bereichsleiter SRSgemeinde

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